Nachfolgender Blogbeitrag wurde uns mit freundlicher Unterstützung von Cordula Kerlikowski zur Verfügung gestellt. Die Fotos hat Susanne Haun geschossen – vielen Dank!
Die hohe Schule traditioneller Papierherstellung
Im Februar 2012 erhielten die Berliner Künstlerinnen Susanne Haun und ich die Möglichkeit, die Produktionsräume und Herstellungsprozesse in der Hahnemühle FineArt GmbH in Einbeck und in Dassel/Relliehausen zu besichtigen.
Die Hahnemühle ist ein Traditionsbetrieb, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1584 zurückreichen und somit eine Firma, die sich ihren Manufakturcharakter bis in unsere Zeit in großen Bereichen bewahrt hat.
Kaum jemand von uns KünstlerInnen, die wir täglich mit diesem Material umgehen, weiß viel über die Herstellung von Papier…
Alle Fotos stammen von Susanne Haun, mit freundlicher Genehmigung der Hahnemühle FineArt GmbH.
1. Die Herstellung des “Papierbreies”
Ausgangsstoffe für die Papierherstellung sind hochreine Zellulose, Wasser, Kreide, Stärke und einige wenige weitere Zusatzstoffe (z.B. Farbpigmente). Früher verwendete man ausschließlich Lumpen, d.h. alte Leinenstoffe, für die Papierherstellung. Daher der Name „Rag“, abgeleitet aus dem englischesn Wort für Faser, z. B. für alle Photo Rag-Papiere der Hahnemühle. Heute werden für die edlen und weichen Baumwollpapiere so genannte Linters (Fasern der Baumwollsamenkapsel) verwendet. Für die Herstellung des “Bamboo”-Papiers sind Bambusfasern im Einsatz.
Zellulosebrei im Pulper: Hier wird der Zellstoff zerkleinert und mit Quellwasser versetzt, so dass eine breiartige Masse entsteht. An den Türen des Pulpers sieht man die kleinen Flöckchen – es fühlt sich an wie ein nasses Papiertaschentuch…
Historisches Zeugnis der Papierproduktion – der “Holländer” – so genannt, weil ihn holländische Papierhersteller zur Zerkleinerung der Fasern erfunden haben.
Im folgenden Schritt fließt der Brei in große Behälter, wo durch kräftiges maschinelles Rühren eine homogene Masse entsteht. Durch Hinzufügen von Stärke, Kreide und ggf. Pigmenten wird der individuelle Charakter des Papiers bestimmt und ganz auf die Wünsche der Kunden zugeschnitten. Der Faserbrei wird mit ca. 97 % reinem Quellwasser, das die Hahnemühle seit 1584 aus dem Quellgebiet des Flüsschens Ilme gewinnt, verdünnt.
Rohrleitungssysteme befördern den Zellstoff-Wasser-Mix direkt zu den Papiermaschinen.
Auf der Langsiebmaschine entstehen die meisten Papiere (z.B. Aquarellkartons etc.), auf der Rundsiebmaschine das hochwertige Büttenpapier.
2. Die Langsiebmaschine
Hier wird der hohverdünnte Zellulose-Wasser-Gemisch gleichmäßig auf ein langes, umlaufendes Sieb aufgespritzt, so dass sich die Zellulosefasern in der Laufrichtung der Papiermaschine ablegen. Auf dem Sieb bildet sich das Papier, denn das überschüssige Wasser fließt ab. Dieses Wasser wird gereinigt und dem Produktionsprozess wieder zugeführt:
Zwei Filzbahnen übernehmen das nasse Papierflies vom Sieb und transprotieren es weiter durch die Maschine. Die Struktur der Filze und die Andruckstärke der Transportwalzen bestimmen die Oberfläche des Papiers, das zwischen den Filzen liegt.
In weiteren Schritten schneiden scharfe Wasserstrahlen die Ränder glatt und die Papierbahn passiert mehrere heiße Walzen, um zu trocknen. Wasserdampf befeuchtet das Papier zwischendruch wieder, um Risse zu vermeiden und die Papierbahn gleichmäßig zu trocknen.
Abschließend entsteht eine riesige Papierrolle, die so genannte “Mutterrolle” – aus der später Einzelbögen geschnitten werden. Ein Mitarbeiter prüft die Restfeuchte des Papiers, bevor die Rolle zur weiteren Verarbeitung abtransportiert wird.
3. Die Rundsiebmaschine
Das Herstellungsverfahren auf der Rundsiebmaschine ist das Produktionsverfahren für die wertvollen Echt-Bütten Papiere. Hier rotiert ein großes Rundsieb in einer Wanne (der Bütte). Das Papierflies legt sich auf dem Rundsieb ab, das Wasser fließt in die Bütte zurück. Bei diesem Produktionsverfahren legen sich die Zellulosefasern völlig ungeordnet auf das Sieb ab und entwickeln keine bevorzugte Ausrichtung. Dieser Herstellungsprozess ist der traditionelle, er dauert länger, macht das Papier teurer, aber auch hochwertiger. Hier einige Bildimpressionen:
Scheinbar endlos ist die Bahn an Büttenpapier, die die Maschine verlässt. Hier wird das Papier für die spätere Verarbeitung zu Künstlerblöcken oder als Digital FineArt Papier auf eine große Rolle gewickelt. Für Bogenware befindet sich auf dem Rundsieb ein von Hand aufgenähter Kupferstreifen, an dem sich, wie beim Wasserzeichen, weniger Papierbrei ablagert – hier kann das Papier in der gewünschten Größe später in der Papiermaschine reißen.
4. Die Weiterverarbeitung
Die Digital FineArt Papiere der Hahnemühle bekommen anschließend eine Premium-Inkjet-Beschichtung, die beim Bedrucken die alterungsbeständigen Pigmenttinten aufnimmt. Die genauen Rezepturen der Beschichtungen sind Produktionsgeheimnisse. Nur soviel: matte FineArt-Papiere bekommen eine poröse Beschichtung aus Kieselsäure und Bindemitteln. Die Qualität der Beschichtung steuert die Druckqualität. Glänzende Digital FineArt Papiere sind mit einer mikroporösen, also homogeneren, Beschichtung versehen. Auch Baryt ist in einigen Beschichtungen enthalten, um den digitalen Papieren die Anmutung traditioneller Dunkelkammer-Papiere zu geben.
6. Hahnemühle FineArt GmbH und die Umwelt
Die Firma engagiert sich für die Umwelt, denn Papierproduktion ist energieintensiv und benötigt viel Wasser: Das verwendete Wasser wird aufbereitet und der Produktion wieder zugeführt. Ständige Qualitätskontrollen stellen sicher, dass die Umwelt sauber bleibt.
Papierreste und aussortierte Bögen mit kleinen Qualitätsmängeln wandern zurück in den Pulper und der Kreislauf beginnt von Neuem. Auf Grund des hohen Anteils an manueller Nachkontrolle halten sich diese Rückführungen jedoch sehr in Grenzen. Wir haben wenig Verschnitt und Fehlpapiere gesehen.
Neben der traditionellen Verwendung von Baumwolle nutzt die Hahnemühle auch schnell nachwachsende Rohstoffe: seit einigen Jahren sind Papiere aus Bambusfasern im Handel mit dem schönen Namen “Bamboo” – durch die grüne Verpackung schnell wahrzunehmen.
Mit der eigenen Umweltinitiative “Green Rooster” engagiert sich die Firma auch für größere Projekte. Ein Teil der Einnahmen aus den “Bamboo”-Verkäufen geht in diese Vorhaben.