Vielen Dank liebe Tanja, dass du Zeit hast für ein kurzes Interview. Du bist ja in der deutschsprachigen Community ein bekanntes Gesicht. Immer gut drauf und immer fröhlich. Aber für alle anderen, die dich noch nicht kennen wäre es super, wenn du dich einmal kurz vorstellen könntest. Wer bist du? Was machst du und wo kommst du her?
Vielen lieben Dank für das Kompliment. Ich bin Tanja Werner aka cube.w3, liebevoll meist „Cubie“ genannt. Ich bin 45 Jahre jung, habe Mediengestaltung gelernt und Architektur erfolgreich mit dem Master-Abschluss beendet. Seit mittlerweile sechs Jahren bin ich unter cube.w3 in den sozialen Medien zu finden, hauptsächlich auf Instagram. Dort öffne ich täglich Einblicke in meine kreative Welt, das Urban Sketching mit Watercolor, Tinte und Farbstiften. Gezeichnet habe ich seit ich mich erinnern kann. Und die Architekturwelt hat dann die Sketcherin in mir durch „Zeichnerisches Entwerfen “ entstehen lassen. Heute gebe ich Watercolor/Urban Sketching Live-Workshops in ganz Deutschland und in der Schweiz, sowohl Indoor als auch Outdoor. Und zunehmend natürlich auch Online Kurse über Zoom oder Patreon.
Wie hat deine Reise in die Welt des Lettering und der kreativen Gestaltung begonnen? Warst du schon immer kreativ?
In meiner Wahrnehmung habe ich schon sehr früh nach kreativen Ausdrucksformen gesucht, ganz nach dem Vorbild meiner Mutter, die zu Zeiten meiner Kindheit viel und gerne in Öl gemalt hat. Ihr nachzueifern hat mir dabei geholfen, meine kreativen Möglichkeiten zu entdecken, sei es in der Schule, unterwegs oder zu Hause. Das Erscheinungsbild meiner eigenen Handschrift war die erste recht früh bewusste kreative Einflussnahme. Darauf folgten die unterschiedlichsten schulischen Kreativ-Projekte, wie ein einjähriges Berufs-Praktikum in der Dekoration des Wuppertaler Opernhauses, die schulische Ausbildung zur Mediengestalterin und nach dem Abitur der Master of Science in Architecture.
Wie können wir uns einen typischen Tag in deinem Künstlerleben vorstellen?
So wie mein Alltags-Motto „Hab immer Deine Malsachen dabei!“, so sieht mein Tag auch aus, egal wo ich gerade bin oder wohin ich reise, ich habe stets Füller, Pinsel, Farben und mein Sketchbook dabei. Denn jedes Zeitfenster, ob im Wartezimmer beim Arzt, nach abgesagten Terminen oder entspannt auf dem Sofa, wird durchweg genutzt, meine Umgebung zumindest in einfacher Lineatur festzuhalten. Auf diese Weise gehen mir so gut wie nie die Motive aus, denn das tägliche Leben bietet so ziemlich alles an denkbaren Vorlagen. Ich bin glücklich, dass mir die Ideen offenbar nicht so schnell ausgehen und da mein Mann ebenfalls im Kreativbereich arbeitet, können wir uns permanent austauschen und wechselseitig profitieren. Zusätzlich gehört natürlich die ständige Planung und Vorbereitung der Online und Live-Workshops zum Tagesablauf. Das erfordert Organisation und administrative Arbeiten, aber die kreativen Inhalte und unbegrenzten Themenstellungen zu finden, die ich den Teilnehmern engagiert vermitteln darf, entschädigen für alle Mühsal.
Neben dir gibt es ja auch weitere Familienangehörige die malen bzw. kreativ sind. Deine Mutter malt und dein Bruder tätowiert. Also liegt Kreativität schon immer in eurer Familie, oder hast du alle angesteckt?
Es liegt wohl tatsächlich in der Familie, meine Mutter hat sich wie gesagt, seit langem mit der Ölmalerei und Aquarell beschäftigt und in unserer Familie und in der ganzen Wohnung wurde ständig irgendetwas gebastelt, umgestaltet oder kreativ besprochen. Mein älterer Bruder entdeckte seine kreative Ader erst ein wenig später, verewigt sich aber mittlerweile als äußerst erfolgreicher Tattoo-Artist auf diversen menschlichen Körpern, was mich regelmäßig tief beeindruckt.
Dich kann man sich ohne deinen „Offman“ gar nicht mehr vorstellen. Ihr seid ein herrliches Paar. Wie kam es zu dem Namen Offman?
Der „Off-Man“ ist ein Teil von Cube.w3. Durch seine strukturierte Organisation der Rahmenbedingungen ist es mir möglich, mich frei und offen auf die kreativen Aspekte zu konzentrieren. Das war so eigentlich gar nicht konkret geplant, es hat sich mehr zufällig entwickelt. Beim Outdoor-Sketchen verschiedener Bauobjekte als Motive für meine Follower, wurde mir verstärkt bewusst, wie schwierig es ist, zu zeichnen und gleichzeitig zu filmen. Glücklicherweise ist mein Mann als Medien-Designer spezialisiert auf audiovisuelle Medien und arbeitet seit Jahren für Film und Video. So habe ich ihn gefragt, ob er das nicht auch für mich beim Sketchen tun könne. Seitdem macht er das mit echter Leidenschaft, allerdings unter der Bedingung, nicht selbst vor der Kamera agieren zu müssen. Er erzählt den Followern aus dem „Off“ beispielsweise etwas über die Location, das Motiv oder meine Vorgehensweise. Er interviewt mich zu meinen Materialien, über meine Techniken oder die einzelnen Arbeitsschritte. Und da man ihn dabei nicht sieht, hat sich der Begriff „Off-Man“ von ganz alleine etabliert und wird gerne und häufig variiert.
Hattest du jemals einen Künstler als Vorbild, von dem du dir etwas abgeschaut hast und der deine Arbeit beeinflusst hat? Gibt/Gab es bestimmte Stile, die dich besonders inspirieren?
Für mich war es immer essenziell, zu sketchen wie die aktuell angesagten Urban Sketcher. Locker, frei und individuell in der Anmutung, mit leichtem Strich und schnell zum Ergebnis. Wie die Arbeitsweise in der Architektur, der Entwurf beinhaltet bereits die wichtigsten Ideen. So beeinflusste mich schon sehr früh Felix Scheinberger und wurde zu einem meiner Vorbilder, da er visualisierend den Strich mit Wasserfarbe vereint. Das war schon immer auch mein Ansatz.
Du bist mit deiner künstlerischen Arbeit sowohl digital als auch analog aktiv. Was macht dir mehr Spaß und warum und wie unterscheiden sich diese beiden Welten voneinander?
Auch wenn ich überwiegend digitale Kurse und Tutorials anbiete, so bleibt meine eigentliche Arbeit doch analog. Die Follower sehen es zwar als digitale Darstellung, doch der Entstehungsprozess bleibt handwerklich analog. Und das reale Sketchen in den Live-Workshops verursacht durchweg analog ein sehr schönes Gefühl, ich bekomme den direkten Input von den Menschen um mich herum. Ich kann real erleben, wie sie die Erklärungen auffassen und weiter verarbeiten. Ich kann auf jeden individuell eingehen und die Fortschritte direkt mit ihnen teilen. Es ist einfach ein beflügelndes Erlebnis, den Teilnehmern dabei zu helfen ihre kreativen Fähigkeiten zu entwickeln.
Nun sind wir neugierig. Wie gehst du bei der Auswahl von Farben und Materialien vor?
Wenn man täglich zeichnet, greift man nach Möglichkeit auf das Material zurück, dem man ohne Einschränkung vertraut. Das bedeutet für mich, dass sich meine Farben eigentlich nie wirklich ändern, sie geben mir Sicherheit, da ich sie in jeder Hinsicht kenne und weiß wie sie reagieren. Ich benutze grundsätzlich die Farben von Schmincke, normalerweise Horadam. In meinem kleinen Reise-Aquarellkasten mit nur 12 halben Farbnäpfchen, wähle ich die Farben auf Basis der Grundfarben (CMYK), ein Überbleibsel meiner Mediengestalter-Ausbildung. Deshalb ist auch ein Neutral Grau enthalten. Zusätzlich benötige ich Farben, die sich direkt im urbanen Leben verwenden lassen, wie Saftgrün oder Umbra Gebrannt. Auch die Farbtöne für das Anmischen von Hautfarben, von hell bis dunkel, sind immer verfügbar, etwa Alizarin Karmesin, Siena Natur oder Lasur Orange. Und als eher grafisches Element muss Kobalt Türkis dabei sein, quasi meine Lieblingsfarbe. Es gibt oft den letzten Feinschliff und wirkt so wunderbar komplementär. Bei der Wahl meiner Pinsel bleibe ich der Marke DaVinci treu, bevorzugt dem Verwaschpinsel mit französischer Bindung und Echthaar. ich benötige viele Haare für viel Wasser und Farbe, gerne mit einer sehr feinen Spitze für die Details.
Was ist wichtig für dich bei einem Papier? Und natürlich möchten wir auch dein Lieblingspapier von Hahnemühle wissen?
Ich arbeite bevorzugt auf nicht zu rauem Papier, etwa Hot Pressed. Ich mag es, wenn meine Sketches fast wie gedruckt erscheinen. Nach Möglichkeit verwende ich 100% Cotton, wobei mein Papier relativ schnell trocknen sollte, da ich überwiegend unterwegs zeichne und wenig Zeit zur Verfügung habe. Mein Lieblingspapier ist aus diesem Grund das Watercolour Book 100% Cotton von Hahnemühle. Ich benutze es zeitgleich in mehreren Fomaten für alle Gelegenheiten, ob kurz in der Handtasche oder Outdoor mit Sitzgelegenheit.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben bzw. was ist charakteristisch für deine Arbeit?
Mein Stil ist eher Rough, meine Striche mit Füller wie auch Pinsel sind sehr dynamisch und gezielt und leben von mehreren Schichten, die am Ende 3D erzeugen.
Was motiviert dich, deine kreativen Projekte online zu teilen und welche Bedeutung haben dabei die Interaktionen mit deinen Followern für dich?
Für mich bedeutet die Online-Arbeit, überwiegend via Instagram, zielorientierte Akquise und effektive Werbung um meine Workshops und Aktivitäten bekannter zu machen. Es bereitet mir immer aufs Neue Spaß, mein Wissen und Können weiterzugeben und die Erfolgserlebnisse meiner Follower miterleben bzw. an ihnen teilhaben zu dürfen. Ich mag den persönlichen Austausch und liebe es, so viele unterschiedliche Menschen und Kreativitäten kennenzulernen.
Kennst du künstlerische Blockaden? Und wenn ja, wie bist du da wieder rausgekommen?
Ich habe das große Glück, dass künstlerische Blockaden bislang nur selten bei mir zu Besuch waren, aber wenn es doch einmal so etwas wie ein Tief oder eine müde Phase gab, dann half mir durchweg ein kleiner Ortswechsel, neue Eindrücke, andere Menschen und Ansichten. Meist nimmt mich der Off-Man an die Hand und es geht einfach nur raus.
Wieso hast du dich dazu entschieden, auch Workshops anzubieten und sogar Bücher mit hilfreichen Guides zu schreiben?
Ich habe in langen Jahren so einiges an Erfahrung, Wissen und kreativem Potential in den unterschiedlichen Techniken zusammengetragen. Es ist die Gewissheit, dies alles nicht nur begrenzt in meinem Kopf zu lagern, sondern sinnvoll anderen Menschen zur Verwendung anzubieten und selbst kreativ zu arbeiten, quasi eine Win-Win-Situation. Jeder, der möchte, soll profitieren nach eigenem Geschmack, Bereitschaft und Fähigkeit. Was für ein schönes Gefühl!
Wir sind gespannt, was steht in Zukunft bei dir an? Hast du schon Projekte oder Ziele im Blick, die du in der Zukunft verfolgst?
Zusätzlich zu den bereits bestehenden Workshop-Themen und Locations gibt es seit diesem Jahr zwei neue Workshop-Varianten: Das Urban-Sketching Indoor und das märchenhafte Color Your Tale. In Zukunft werden weitere Themen-Bereiche hinzukommen, genauso wie weitere Locations im europäischen Raum. Und natürlich freue ich mich immer auf Projekte, Ideen oder Anregungen, die im Moment noch nicht ausformuliert sind.