Feingliedrig, vielschichtig und assoziativ beschreibt Dr. Claudia Binder ihre Radierungen. Die ‚Ahnung eines Augenblicks‘ möchte die Medizinerin und Künstlerin in ihren Druckgrafiken einfangen. Beeindruckend sind ihre farbigen Werke in der ursprünglich als ‚Schwarze Kunst‘ titulierten traditionellen Drucktechnik. Sie arbeitet gern mit Hahnemühle Echt-Bütten Kupferdruckpapier in kleinen Serien. Warum und in welchen Techniken, verrät sie im Interview.
Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für die Radierung entdeckt?
Schon von Kindheit an war ich vor allem von der Farbe Schwarz fasziniert. Dies brachte mich letztlich zur Radierung, der sogenannten „schwarzen Kunst“, die so heißt, da lange Zeit nur schwarze Druckfarben zur Verfügung standen. Darüber hinaus hatte es mir die speziell dieser Drucktechnik eigene komplexe Mischung aus technischer Feinarbeit und kreativem Prozess angetan. Die „Materialität des Mediums“ und die Art der Bearbeitung fließen hier ganz entscheidend in das bildnerische Schaffen ein, sofern man die Radierung nicht als bloßes Kopiermedium begreift.
Wie sind Sie zur Radierung gekommen?
Die Grundzüge der Radierung erlernte ich in einem Kurs an der HBK Braunschweig 1981. Erschwert durch häufige, beruflich bedingte Ortswechsel ergaben sich oft lange Pausen, die Faszination jedoch blieb. Im Gegensatz zu anderen Arten von Druckgrafik, wie z.B. dem Holzschnitt, gehört die Radierung zu den Tiefdrucktechniken, bei denen die Farbe aus geätzten oder gekratzten Vertiefungen in der Platte auf das Papier gelangt. Dies erfordert spezielle Pressen, die teuer und nicht überall verfügbar sind. Jahrelang war ich durch den fehlenden Zugang zu einer solchen Presse sehr eingeschränkt. Inzwischen bin ich selbst Besitzerin einer großen Tiefdruckpresse und habe mir darum herum ein eigenes Druckgrafik-Atelier aufgebaut, in dem ich unabhängig arbeiten kann.
Wie gelang Ihnen der Eintritt in den Kunstmarkt?
Einen entscheidenden Schritt vorwärts bedeutete der Besuch der Europäischen Kunstakademie Trier, an der ich seit 2009 regelmäßig für mehrere Wochen in einem wunderbar inspirierend direkt an der Mosel gelegenen Atelier zusammen mit anderen Künstlern arbeite. Über diese Kontakte kam ich seit 2011 zu kontinuierlicher Ausstellungstätigkeit. Dazu zählen zahlreiche Gruppenausstellungen im In- und Ausland mit der Gruppe „Zweifellos“ sowie weiteren anerkannten Künstlern des Bundes Bildender Künstler Bonn-Rhein-Sieg, dessen Mitglied ich bin. Einzelausstellungen habe ich 2015 in der Göttinger Galerie Art Supplement sowie gerade eben in der KWS Einbeck bestritten.
Haben Sie ein Idol in der Radierung oder wer hat Sie am meisten inspiriert?
Historisch gesehen haben mich vor allem die großen Meister der Radierung, Rembrandt und Goya, begeistert. Obwohl sehr unterschiedlich, faszinieren mich beide durch ihre zeichnerische Brillanz und virtuose Handhabung der Technik.
Persönlich habe ich von Ruth Clemens, einer Dozentin von großem technischen Wissen und hohem Formempfinden an der erwähnten EKA Trier, sehr viel gelernt und dadurch meinen Stil weiter entwickelt. Von dem Schweizer Künstler und Experimental-Drucker Georges Wenger habe ich mitgenommen, dass alles als Druckstock herhalten kann, sofern es nur flach genug ist und sich nicht sträubt. Seither arbeite ich häufig mit einer Kombination aus klassischer und alternativ experimenteller Methodik, wobei zu letzterer auch die Technik der Intagliotypie (Übertragung digitaler Motive per Filmtransfer mit Hilfe von UV-Licht auf die Druckplatte, d.R.) gehört.
Wie würden Sie Ihren künstlerischen Stil beschreiben?
Mich interessiert die Übertragung von Gedanken, Erinnerungen, Stimmungen in eine zweidimensionale Form und Struktur, wodurch sie sichtbar und erfahrbar werden. Sie sollen nicht Abbild sein, auch wenn sie manchmal gegenständlich erscheinen, sondern vielmehr eine Projektionsfläche, auf der das Sichtbare um Imaginiertes erweitert wird. Bei meinen Motiven kommt es mir vor allem darauf an, eine bestimmte Atmosphäre oder Vorstellung zu generieren, oft angeregt durch eine Passage aus einem Gedicht o.ä.. Die Wahl der Form – abstrakt, figürlich oder irgendwo dazwischen – ist dabei eher sekundär.
In der Kunst bin ich ein langsamer Arbeiter und bewege mich über viele Zwischendrucke in Richtung Endzustand, wobei oft in der Schwebe bleibt, ob und wann dieser erreicht ist. Ich verwende vor allem Eisenchloridätzung auf Kupfer, da dies eine sehr präzise Arbeitsweise ermöglicht, benutze jedoch auch andere Materialien, sofern sie einfärbbare und drucktaugliche Resultate ergeben. In der Regel arbeite ich ohne Vorentwurf mit verschiedenen Techniken direkt auf der Platte und lasse mich von den Zwischenresultaten zu Weiterem inspirieren.
Was ist das Anspruchsvollste bei der Radierung?
Wie bereits erwähnt ist die Radierung eine sehr langsame Technik, die ein hohes Maß an Ausdauer aber auch an technischem Detailwissen erfordert. Schnelle Resultate sind nicht zu erwarten. Für diese „Widerspenstigkeit“ wird man jedoch mit einer Feinheit des Details und der Wiedergabe subtilster Nuancen belohnt, die ihresgleichen suchen.
Welche Bedeutung hat die gedruckte Präsentation Ihrer Kunstwerke?
Der Druck ist natürlich das Entscheidende an der Druckgrafik. Dabei beeinflussen sowohl die Platte selbst als auch das Papier essentiell das Ergebnis. An das dafür verwendete Kupferdruckpapier werden dabei hohe Anforderungen gestellt. Es muss reißfest genug sein, um angefeuchtet unter hohem Druck in feinste Rillen gepresst zu werden, und gleichzeitig saugfähig genug, um die recht zähen Kupferdruckfarben aufnehmen zu können. Wenig geleimtes Büttenpapier mit hoher Grammatur ist dafür am besten geeignet.
Hahnemühle Büttenpapier erfüllt diese Anforderungen hervorragend. Ich verwende es – neben anderen Büttensorten – vor allem für eher malerische Motive, die es durch seine leicht körnige Oberfläche sehr gut zur Wirkung bringt. Besonders begeistert war ich daher, auf einem Rundgang durch den Betrieb Details über die Herstellung zu erfahren und die traditionsreiche Atmosphäre zu erleben, die überall zu spüren ist.
Haben Sie einen Traum von einem Motiv oder einem Projekt, das Sie gerne einmal realisieren wollen?
Ein lang gehegter Wunsch ist die synästhetische Bearbeitung eines Themas, d.h. die Wiedergabe von Musik mit gleichzeitiger Umsetzung in Druckgrafik, Fotografie/Video etc., woran ich mit Künstlerfreunden bereits zu arbeiten begonnen habe.
Was planen Sie als Nächstes?
Unmittelbar bin ich gespannt, ob sich mit einem Papier, das ich bei meinem Besuch der Hahnemühle, entdeckt“ habe, nämlich dem Bütten-Karton in der Farbe Antik (aus dem Großhandelssortiment der Hahnemühle, erhältlich über Römerturm), die Ergebnisse erzielen lassen, die in meinem Kopf bereits Gestalt angenommen haben. Längerfristig bereite ich eine Einzelausstellung im Jahr 2018 vor.