Ashkan Sahihis jüngstes Werk ist ein Porträt der sich rasch verändernden Stadt Berlin. Die Serie umfasst 375 Fotografien von Frauen, die in Berlin leben. Alle Protagonistinnen ordnet der Fotograf nach fünfunddreißig Suchbegriffen wie Beruf, Altersklasse, Lebensstil, soziale Schicht. Die Bilder verkörpern auf individuelle Weise die Dynamik des heutigen Berlins. Zusammengenommen sind die Porträts eine vielschichtige Erkundung der pulsierenden Stadt Berlin; ein Versuch, einen Moment in der Stadt zu erfassen. „Die Berlinerin“ ist ein Mamutprojekt und deshalb in Etappen in zwei Galerien in Berlin zu sehen. Beeilen Sie sich, um die Arbeiten in der Galerie im Körnerpark bis 10. Januar 2016 und bis 6. Februar 2016 in der Galerie Springer zu bewundern. Alle 375 Drucke sind auf Hahnemühle PhotoRag® Ultra Smooth vom Print-Studio d‚mage light Berlin angefertigt worden – ein Hahnemühle Certified Studio. Lesen Sie mehr im Interview mit dem im Iran geborenen Fotografen Ashkan Sahihi.
Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für die Fotografie entdeckt?
Als mir klar wurde, wie viel Gefühl, Information, Leidenschaft und Geschichte in einem einzigen Bild stecken kann, das man den Bruchteil einer Sekunde ansieht. Und als ich bemerkte, dass Pop-Kultur wurde zunehmend von geschriebener und gesprochener Sprache zu einer visuellen Kommunikation wurde. Ich begeisterte mich für die Kunst schon als junger Mensch und konnte beobachten, wie Menschen (mich eingeschlossen) sich einerseits nach Geschichten und Erzählungen sehnten, anderseits die Methoden der Rezeption zunehmend schneller wurden. (Man liest Zeitschriften statt Büchern, sieht Fernsehen und Kino statt ins Theater oder Ballett zu gehen).
Ich behaupte nicht, dass dies immer eine gute Sache war oder ist, aber es ist der Weg für mich, sehr leidenschaftlich Geschichten erzählen zu können – unabhängig von Sprache – nur mit Fotografien.
Wie sind Sie zur Porträtfotografie gekommen?
Ich wurde in Teheran geboren, besuchte die Schule in Deutschland, zog nach New York als ein sehr junger Mann und reiste viel während meines ganzen Lebens. Ich war immer ein Außenseiter, Gast oder der Neuankömmling an den Orten, an denen ich lebte. Mein ganzes Leben lang versuchte ich als Beobachter zu verstehen, was meine Mitmenschen bewegt. Für mich sind die Geschichten des Lebens immer in den Gesichtern erkennbar. Wenn es irgendeine Art von Manifest des menschlichen Wesens, der menschlichen Erfahrung gibt, dann ist es wahrscheinlich unser Gesicht.
Welches Ihrer Projekte hat die Tür zur Kunstszene bzw. zum professionellen Markt geöffnet?
Die sehr kontroverse Drogen-Serie im Jahr 2000. Ich fragte 11 komplette Nicht-Nutzer, eine illegale Droge (LSD, Kokain, Heroin, etc.) einzunehmen und ich fotografierte sie während des Rausches; des ‚High‘-Seins. Diese Serie von 11 großformatigen Porträts führte zu meiner ersten Einzelausstellung im PS1 / MoMA in New York. Die Ausstellung wurde von Klaus Biesenbach kuratiert und mündete in Kooperationen mit Kuratoren und Museen weltweit.
Wer inspiriert Sie am meisten?
Alle Künstler in allen Bereichen, die für sich die ständige Notwendigkeit sehen, sich neu zu erfinden. Nicht nur aus der Zwang zum wirtschaftlichen Erfolg heraus, sondern auch für die eigene kreative Erfüllung und das persönliche Wachstum.
Wie würden Sie Ihren fotografischen Stil beschreiben?
Ich glaube, man kann verschiedene Arten (und Techniken) verwenden, je nachdem, welches Gefühl man in einer Geschichte erzählen will, die man erstellt. Ich verwende sehr unterschiedliche Stile für die verschiedenen konzeptionellen Serien, die ich über die Jahre erstellt und ausgestellt habe. Die „Drogen-Serie fühlte sich fast medizinisch an, die „Kuss-Serie“ sehr ‚glänzend‘ und „Guantanamo Bay“-Arbeiten sind ruhige schwarz-weiß Studien. Die Frage nach meinem persönlichen Stil würde ich so beantworten: ich erzähle Geschichten mit wenig Technik-Aufwand und zeige so ein echtes Interesse an meinen Protagonisten.
Worin besteht die Herausforderung bei der Portrait-Fotografie?
Ich bin ehrlich gesagt nicht sicher, wie ich diese Frage beantworten soll. Ich versuche es mal so: Wie bei allen anderen künstlerischen Disziplinen gibt es große Konkurrenz, wirtschaftlichen Herausforderungen den Lebensunterhalt zu bestreiten und die Aufgabe, herauszufinden, welche künstlerischen Aussagen sie treffen wollen. Ich denke auch, dass es letztlich eine großes Privileg ist, meine Zeit damit zu verbringen, herauszufinden, was ich der Welt fotografisch zu sagen haben und wie ich das tue.
Wie wichtig ist Ihnen die gedruckte Präsentation Ihrer Kunstwerke?
Sie ist von entscheidender Bedeutung. Die gedruckte Präsentation kann die Arbeit beflügeln oder ‚das Schiff versenken‘. Drucke geben dem Bild Tiefe und Leben.
Wer macht die Drucke?
Meine lieben Freunde und Druckexpertinnen Annette Berr und Ul Vohrer von d‚mage light Berlin.
Welches ist Ihr Lieblingspapier von Hahnemühle und warum?
Ich liebe Hahnemühle PhotoRag® Ultra Smooth und verwende es exklusiv für meine Arbeiten.
Haben Sie ein Traumprojekt, das Sie gerne einmal realisieren würden?
Ich habe einen Traum-Projekt UND einen Albtraum-Projekt. Mein Traumprojekt wäre, ein Porträt von jedem Staatsoberhaupt der Welt zu fotografieren. Königinnen, Könige, Kanzler, Premierminister; die ganze Clique. Das Alptraum-Projekt wäre, ein ganzen Jahr in Krisen- oder Kriegsgebiete zu reisen und jeden Tag ein Foto für 365 Tage zu einem Massenmedium zu schicken. Diese Bilder sollten groß und wirkungsvoll als visuelles Tagebuch unter der Überschrift „Ein Jahr im Krieg “ in einem Massenmedium publiziert werden.
Was kommt als Nächstes?
Ich glaube, Ideen verlieren ihre Kraft, wenn man zu viel darüber redet. Man sollte sich für etwas entscheiden, was man dann auch tut; nicht nur über eine Idee reden und sie aussitzen bis sie pulverisiert. Ich war bei meinen Fotoprojekten und bei der Umsetzung immer sehr diskret. Dies sei zu meiner Entschuldigung gesagt, warum ich nicht über die nächste Ideen und Projekte spreche. Nur so viel: Ich werde meine eigenen Arbeiten aus fast 30 Jahren in meinem Archiv sichten – Porträtaufnahmen und Bilder aus meiner internationalen Arbeit. Das Merkwürdige am Älterwerden als Künstler ist, dass einige der eigenen Arbeiten plötzlich Zeugen der Geschichte der Menschheit werden oder Relikte der Vergangenheit, ohne dass man selbst jemals dachte, dass dies passiert. Leute – berühmt oder nicht – sterben, Länder – große und kleine – verschwinden und vieles anderen ändert seine kulturelle Bedeutung (Architektur, Mode, Lebensstil). Und mit einem Mal sagt ein einzelnes Bild so viel darüber aus, wer wir sind oder waren und es lädt zu Reflexion ein.
Danke für das Interview, Herr Sahihi.
Mehr über den Fotografen auf der englischen Wikipedia-Seite https://en.wikipedia.org/wiki/Ashkan_Sahihi